Deutliche Zeichen gesetzt
“hanau rocks on tolerance” zieht Zwischenbilanz und bleibt weiter aktiv
Foto: Rainer Habermann
Auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam: Eine 90jährige KZ-Überlebende, die mit Kölner HipHopern auf der Bühne des Comoedienhauses steht, die Flüchtlingsinitiative „Lampedusa in Hanau“, der Frankfurter Jazzer Emil Mangelsdorff, der Förderverein der Volkshochschule Hanau, die Berliner Polit-Punker von „ZSK“, das Jugendbildungs- und Kulturzentrum Hans Böckler und die 13 Hanauer Musiker und Bands, die gemeinsam auf einer CD ihre Lieder präsentieren. Doch eines eint sie: Sie haben Zeichen gesetzt, deutliche Zeichen für mehr Menschlichkeit! Und dies unter dem Banner von „hanau rocks on tolerance“.
Die Fahne der Toleranz, Vielfalt und Menschlichkeit gemeinsam gehisst haben der Trägerverein KUZ Pumpstation e.V. (KUZ Hanau), die IG HanauRockt!, das Jugendbildungswerk der Stadt Hanau (JBW), United Power Fields (UPF) und merchandevents; mithin also die gleichen kreativen Köpfe, die Projekte wie den Hoffnungsträger Newcomer Contest, die „trax from the neighbourhood“ oder die Hanauer Musikernacht initiiert haben – genauso wie 2001 und 2007 auch die ersten beiden Durchgänge von „hanau rocks on tolerance“. Dieses Bündnis hat die individuellen Erfahrungen und Kenntnisse zusammen geworfen und mit vielen Unterstützerinnen und Unterstützern von März bis Dezember selbst ein gutes Dutzend Veranstaltungen auf die Beine gestellt sowie viele Events anderer Akteure unterstützt, mitgetragen und beworben.
Denn dies ist eines der Hauptziele der Aktion: Vorhandenes bündeln, gegenseitige Unterstützung und Hilfe zum Beispiel bei der Öffentlichkeitsarbeit. „Daneben haben wir Projekte in die Tat umgesetzt, die andere Organisationen oder Vereine so nicht alleine schultern können“, so Melanie Viel, die Vorsitzende des KUZ Hanau. Der Verein und seine Mitglieder waren sowohl Motor als auch stets einer der Hauptakteure, wenn es um die ganz praktische und oft anstrengende Arbeit vor Ort ging.
Und dies nicht nur, wenn die Veranstaltung im Jugendbildungs- und Kulturzentrum Hans Böckler stattfand, wo auch das KUZ seine Heimstatt hat. Thomas Boeuf vom JBW hat von Anfang an das JuBiKuz als „Heim-Basis“ des Aktionsbündnisses eingebracht. So wurde dort zusammen mit dem Förderverein der Volkshochschule Hanau der öffentliche Startschuss gesetzt – inhaltlich nahezu ideal passend während der Internationalen Wochen gegen Rassismus im März.
Doch auch weitere Schwerpunkte der Arbeit des JBW wurden unter das Motto der Aktion gestellt, bis hin zu den diesjährigen Ferienspielen und vor allem dem Jugendplenum, bei dem junge Aktive oder Gruppen mit Preisgeldern für Ideen und Projekte zu Toleranz und Menschenrechten ausgezeichnet wurden.
Möglich wurde dies alles auch Dank der Unterstützung der Stadt. Hier bedanken sich die Initiatoren besonders bei Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Stadtrat Axel Weiss-Thiel, wie auch Martin Hoppe, dem Leiter des Fachbereichs Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen.
Sie haben den Machern nicht nur ganz praktisch bei manchem Problem unter die Arme gegriffen, erzählt Volker Stelzner (UPF): „Wir fanden stets offene Ohren und Türen und es hilft sehr, bei Unternehmen vorzusprechen und zu hören „ach ja, der OB hat unserer Firmenleitung bereits davon erzählt…“ - das ist alles andere als selbstverständlich und andernorts nahezu unvorstellbar!“
Gemeinsam mit Wolfgang Kischel von der IG HanauRockt! erinnert Stelzner auch an die ‘Tradition der Toleranz‘, wie sie es nennen. Denn inzwischen ist es das dritte Mal, dass Hanau für Toleranz rockt. 2001 und 2007 fanden gleichnamige Aktionen statt – und beides Mal wurden bereits CD-Sampler mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern produziert. Auch heuer ging es darum, frühzeitig aktiv zu werden, „nicht zu warten bis HUGIDA durch unsere Stadt marschiert, bis neofaschistische Parolen wieder Gehör finden oder von Rechtsradikalen provozierte Gewalt auch bei uns ausbricht - in einer Stadt, die absolut zu Recht auf ihre freiheitliche, demokratische und tolerante Geschichte stolz ist, die bis heute stark geprägt wurde von Flüchtlingen“, wie Kischel betont.
Einer, der alle drei Projekte in verantwortlicher Position miterlebte und unterstützte, ist OB Kaminsky. Für ihn ist das Projekt vorbildlich, wie er auch im Booklet zur aktuellen CD schreibt: „…es wendet sich nicht einfach „gegen“ etwas, sondern setzt sich ein „für“ Allianzen und einen gewaltfreien Aufstand der Anständigen. Dies verdient unser aller Unterstützung, weil das Thema leider stets aktuell ist – und weil Gewalt, Vorurteile und Intoleranz immer noch auch aus der Mitte der Gesellschaft kommen und deshalb auch aus dieser Mitte heraus bekämpft werden müssen.“
Aus eben dieser Mitte kommen die Musikerinnen und Musiker, welche die 14 Songs der CD eingespielt haben – teilweise in neuen und ungewöhnlichen Zusammenarbeiten. Die CD, die im Brückenkopf, im Schnurstraxx, dem Buchladen am Freiheitsplatz und natürlich im KUZ Hanau zum Preis von 10 € Euro erhältlich ist, präsentiert viele musikalische Stilrichtungen, feiert damit auch musikalisch die Vielfalt. Und sie beinhaltet auch klare Statements der Solisten und Bands zum Thema Toleranz.
Der Sampler konnte in seiner dritten Auflage dank der Förderung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und auch der Hanau Marketing GmbH verwirklicht werden.
Lucas Schobert (merchandevents), entscheidender Macher nicht nur der beiden spektakulären Großveranstaltungen – Ester Bejarano und die Microphone Mafia im Comoedienhaus und Emil Mangelsdorff im neuen „Kulturforum“ – betont, dass auch der Verkaufserlös der CD im Spendentopf landen wird. Denn jeder Cent Reingewinn der Veranstaltungen im Rahmen von „hanau rocks on tolerane“ ging und geht auch zukünftig an soziale Organisationen in der Brüder-Grimm-Stadt. So können Schobert und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter bereits jetzt auf die stolze Summe von nahezu 5.000 Euro verweisen, die verteilt wurde. Ein Großteil davon ging an die Flüchtlingshilfsorganisation „Lampedusa in Hanau“. Dies zeigt nach den Worten von Lucas Schobert, „zum einen, dass die Aktion auch 2015 so aktuell und notwendig ist wie in den Jahren zuvor, und zum anderen, dass sich im Verlauf der Monate Schwerpunkte entwickelt haben, die zu Beginn oder gar in der Planungsphase noch gar nicht in diesem Umfang absehbar waren.“
Jeder der Beteiligten hat in seiner persönlichen Zwischenbilanz andere Momente als Highlight empfunden. „Die Bandbreite der verschiedenen Veranstaltungen ist ein Beleg für die Vielfalt nicht nur des Themas, sondern auch der Menschen, die sich engagieren“, freut sich Thomas Boeuf und verweist darauf, das beispielsweise auch eine Fotoausstellung von Anne Berger im „Brückenkopf“ auf der Liste steht (der Erlös der Versteigerung zweier großformatiger Aufnahmen ging auch in den Spendentopf) – und dass selbst die Hanauer Volkshochschule das Motto „hanau rocks on tolerance“ zum Schwerpunkt ihres derzeitigen Semesters gemacht hat.
All dies und vieles mehr ist natürlich auch im Internet (www.hanaurocksontolerance.de) und in den unterschiedlichen Social-Media-Kanälen zu finden.
Melanie Viel schließlich ist es vorbehalten, die wichtigste Nachricht zu vermelden: „Wir machen weiter! Auch 2016 soll unter dem Motto „hanau rocks on tolerance“ bleiben. Denn unser Anliegen ist angesichts der aktuellen Entwicklungen dringlicher denn je.“ Wann und wie im Detail sich das Aktionsbündnis wieder öffentlich bemerkbar macht, ist noch nicht klar, wird derzeit diskutiert und vorbereitet. Doch sicher ist, man wird wieder von ihnen hören.
Am Ende zitieren die Mitglieder des Aktionsbündnisses noch einmal das Booklet zur CD: „Es ist gut, dass es viele Menschen gibt, die wissen, dass jetzt die Zeit ist aufzustehen und klar Stellung zu beziehen für mehr Menschlichkeit! Treten wir gemeinsam der Intoleranz entgegen, egal, in welchem Gewand sie auftritt!“